Tauchrevier Deutschland im Interview mit "Der Taucherblog"

2017 Tauchen im Westbruch

12.04.2017, Westbruch (Sachsen)

Sachsen ist definitiv das Tauchrevier der gefluteten Steinbrüche. Unzählige, ehemalige Abbaustellen von Granit, Porphyr und Schiefer sind heute ideale Tummelplätze für Sport- und technische Taucher. Das Oberflächenwasser sammelt sich in dem gehauenen Stein und schafft einzigartige Landschaften und Lebensräume. Das tiefe Blau wartet nur darauf, erkundet zu werden.



Östlich von Leipzig hauten Bergleute Granitporphyr magmatischen Ursprungs aus dem Kohlenberg bei Beucha. Mit Aufgabe der Betriebsstätte holte sich die Natur zurück, was ihr gehört. Der sogenannte Westbruch ist heute ein weithin bekanntes Tauchrevier. Seit vielen Jahren betreibt Uwe Seidel die Tauchschule „Taucherparadies Sachsen“ in Brandis und ist Hausherr dieses idyllischen Kleinods. Ein Tauchgang steht schon lange auf meiner To-Dive-Liste.

Tauchen im Westbruch

Heute nun ist es soweit, ausgerechnet an einem Mittwoch, dem einzigen Ruhetag. Doch Uwe zögert nicht lange und sagt: „Kommt vorbei, ich bin da.“. Die Autobahninfrastruktur ist mittlerweile so gut ausgebaut,  A10-A9-A14-Abfahrt Naunhof und man fällt beinah ins Wasser. Nach gut 2 Stunden stehe ich an der mit einer Kette gesicherten Zufahrt zum Westbruch, auch Steinbruch Waldsteinberg genannt. Ich muss unbedingt einen ersten Blick wagen, bevor ich zu Uwe fahre. Nach nur wenigen Schritten stehe ich im Kessel am Ufer eines wunderbaren, einladenden Steinbruchsees. Die nackten, steilen Wände fallen in klares, blaues Wasser. Der Blick nach oben zeigt den Waldsaum und einen verhangenen, grauen Himmel. Ich freue mich auf den Tauchgang.

Steinbruch Waldsteinberg, Westbruch

Nur zwei Nebenstraßen weiter betreibt Uwe seine Tauchschule und –shop. Er heißt mich willkommen und führt mich in sein Reich. Mehrere Räume, gut gefüllt und sortiert mit Tauchequipment aller Art zeugen von einem langjährigen und erfahrenen Tauchbetrieb. Das Check-In ist schnell erledigt. Uwe nimmt sich ein wenig Zeit und erklärt mir anhand alter Fotos die Gegebenheiten des Steinbruchs während in HD-Qualität an der Wand ein großer Waller im Unterwasserwald seine Runden dreht. Ich muss dort jetzt hin.

Reste des Unterwasserwaldes

Zurück am Steinbruch nehme ich meinen Buddy in Empfang. Gut 190x120x20 Meter Wasserkörper gehören für den heutigen Tag uns allein. Das Leben ist schön. Lange schnacken ist nicht, wir wollen beide nur noch ins Wasser. Rödel, rödel, check und Platsch. Kaum den Kopf unter Wasser werden wir von einem Rudel Wasserscheine begrüßt. Sechs Spiegelkarpfen sehen nicht ihre ersten Taucher und sind regelrecht tiefenentspannt. Wir beginnen unseren Kurs linker Hand, so wie von Uwe empfohlen.

Spiegelkarpfen im Westbruch

Der Westbruch hat eine Tiefe von etwa 20 Metern, ein ehemals bewaldeter Absatz auf einer Tiefenlinie von 6-7 Metern zieht sich beinah um den ganzen See und ist wohl der meist betauchte Bereich im Bruch. Nach nur wenigen Flossenschlägen erscheint uns ein Taucherspielplatz. Telefonzelle, Porzellanschwein, Kunstfische, Hochbett und allerlei Klimbim dienen der Belustigung unter Wasser. Ich kann diesen Dingen immer noch nicht viel abgewinnen. Hat der Westbruch, wie sich zeigen soll, doch so viel „natürliche“ Formationen und Attraktionen zu bieten. Einen Ausbildungs- und Tarierparkour könnt‘ ich noch verstehen.

Taucherspielplatz im Westbruch

Wir tauchen weiter und erreichen die Reste des alten Wald- und Buschwerkes. Es macht Spaß hier auf Entdeckungsreise zu gehen. Immer mal einen Blick nach oben wagen, schadete noch nie. Und tatsächlich. An einem Felsvorsprung hinter einem toten Baum leuchten vier Kois. Das rot-weiße Schuppenkleid scheint gegenüber dem schlecht sehenden Wels kein Nachteil zu sein. Auch diese Karpfenfische sind an Taucher gewöhnt und verlassen den schützenden Bereich nur ungern. Immer wieder scanne ich den Grund, schaue zwischen den Gehölzen. Irgendwo muss doch der Herrscher des Steinbruches seine Ruhestatt haben. Fehlanzeige. Doch was ist das? Zwischen toten Kieferstämmen liegt ein kapitaler Hecht und döst. Er hat mich längst gesehen und  gehört. Die Kamera im Anschlag nähere ich mich ihm. Er bleibt entspannt. Gefahr geht von den schwarzen Blasenmachern nicht aus. Doch kein Wels in Sicht.

Weiss-rote Kois

Ab und an machen wir einen Abstecher in die Tiefe. Wir übertauchen die Abbruchkante und lassen uns auf 20 Meter sacken. Restlicht bis zum Grund des Westbruches. Gebrochener Fels und rostendes Eisen erscheinen vor den Masken. Der Kompass zeigt bereits die Kehrtwende an. Wir steigen höher und folgen dem Absatz. Ein Boot mit Besatzung, Motor und Flagge liegt auf der Klippe und droht abzustürzen. Fadenalgen hängen wie Vorhänge an der steilen Wand. Die letzten Erdkröten-Männchen erklimmen den nackten Fels zurück ans Licht. Und die ersten Flussbarsche setzen kunstvoll ihren Laich im Geäst der toten Bäume ab.

Der Westbruch unter Wasser

Eine Öffnung in einer geschichteten Wand zeigt uns den Einstieg, das Ende der Umrundung an. Dieser befindet sich nämlich direkt über der Pulverkammer des alten Steinbruches. Gut 100 Minuten unterwegs und noch keine Lust zum Aufstieg. Vorbei an den wühlenden Karpfen tauchen wir noch einmal hinein in das Wäldchen, der Wels muss doch irgendwo sein. Diesmal bleibt er der Gewinner. Diesmal.

Nach gut drei Stunden und schweren Herzens entsteigen wir dann doch dem sächsischen Nass. Ein schöner Tauchgang. Der Westbruch verdient es, noch einmal besucht zu werden. Schnell zu Uwe den Schlüssel abgegeben und dann mit vielen, neuen Eindrücken heimwärts. Ein wundervoller Tag im Tauchrevier Deutschland

Unterwegs im Westbruch

Wer kennt diesen Steinbruch?

Freue mich auf eure Kommentare, Anmerkungen, Tipps, Links und Bilder.

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Categories: _Sachsen, UnterWasser

Steinbeißer, Dorngrundel

Steinbeißer (Cobitis taenia)

Die erste Begegnung mit diesem außergewöhnlichen Bewohner unserer heimischen Gewässer war zugegebenermaßen rein zufällig und überraschend. Seit einigen Jahren streife ich mit meiner Kamera leidenschaftlich durch die Unterwasserwelt Deutschlands und bin bis heute fasziniert über die Vielfalt und Schönheit dieser einmaligen Flora und Fauna. Brandenburg mit seinen über 3000 Seen bietet mir alle Möglichkeiten, diese Leidenschaft auszuleben.



Während ich über einen Pflanzenteppich aus verschiedenen Armleuchteralgen schwebe, glaube ich, im Augenwinkel meiner Tauchermaske am sandigen Grund eine Bewegung zu erkennen. Mein Blick richtet sich auf den hellen Sand, doch da war nichts außer eben diesem Sand. Eine kleine Sedimentwolke gibt mir dennoch die Gewissheit, nicht unter dem narkotischen Einfluss des eingeatmeten Stickstoffes zu fantasieren. Sicherlich ein kleiner Flussbarsch, der vor meinen lärmenden Atemluftblasen Reißaus genommen hat, denke ich mir und tauche weiter.

Lebensraum Sand

Und wieder. Jetzt nehme ich mir die Zeit und scanne den Seegrund. Das Auge gewöhnt sich an die kleinen Dinge am Boden. Wassermilben und Wasserflöhe tanzen im klaren Wasser. Das reichlich vorhandene Zooplankton  wird nicht die Ursache meiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit gewesen sein. Ich schaue zwischen den Sprossen der angrenzenden Makrophyten. Was ist das?

Beobachtungen in heimischen Seen

Ein länglich gelber Körper mit einem kunstvollen Muster aus braunen Flecken liegt bäuchlings zwischen den Pflanzen auf dem Sand, nicht größer als 6 cm. Auf der einen Seite ein spitz zulaufender Kopf mit schwarzem Knopfauge, auf der anderen Seite eine große, gestreifte Schwanzflosse. In der Mitte des Körpers hat sich eine nicht zu übersehende Rückenflosse aufgestellt. Ein Fisch, aber kein mir bis dato Bekannter. Hecht, Schlei, Flussbarsch, Rotauge und Rotfeder als häufige Vertreter unserer heimischen Fauna durfte ich bereits mehrfach in unseren Seen in ihrem natürlichen Habitat beobachten, aber diesen vor meiner Maske liegenden Vertreter kenne ich nicht.

Auf Augenhöhe mit Dorngrundeln

Ein Beweisfoto muss her. Noch ehe ich meine Kamera in Position gebracht habe, bohrt sich der scheue Fisch mit zappelnden Bewegungen in den weichen Sand und ist verschwunden. Dieses Verhalten erklärt meine vorherige, erfolglose Suche. Meine Recherchen bestätigten meine erste Begegnung mit einem Steinbeißer. Mittlerweile kenne ich einige Lebensräume dieser standorttreuen und anspruchsvollen Fische in unseren Seen und besuche sie von Zeit zu Zeit mit meiner Kamera.

Wenn mich Freunde und Bekannte fragen, was man denn alles in unseren heimischen Gewässern sieht, ich dann vom kleinen Steinbeißer schwärme, begegnet mir in der Regel Verwunderung. Angler erwidern gern, dass der Steinbeißer im Atlantik vorkommt und ein delikater Speisefisch ist, meinen dabei jedoch den gefleckten oder gestreiften Seewolf, der zum heimischen Namensvetter nicht verschiedener sein kann.

Der Steinbeißer, auch als Dorngrundel oder Steinpicker bekannt, gehört zu den Schmerlen mit ihrem typischen, unterständigen und bartelbesetzten Maul. Mit diesem für den Lebensraum Sand perfekt angepasstem Werkzeug saugen sie den Sand regelrecht auf („beißen in den Stein“), filtrieren alles Zoobenthos (im Boden lebende Organismen) und stoßen Unverwertbares über die Kiemen sofort wieder aus. Auch wenn die Tiere als nachtaktiv beschrieben werden, konnte ich dieses Fressverhalten mehrfach tagsüber beobachten. Vielleicht lässt diese Art der Nahrungssuche und –aufnahme diesen kleinen Fisch mit einer Maximallänge von 10 -12 cm deshalb zu den Karpfenartigen zählen.

Steinbeißer, Dorngrundel, Schmerle

Zahlreiche Verhaltensbeobachtungen und ein vorsichtiges Tauchen erlauben mir nunmehr ein detailtreues Ablichten dieser scheuen Fische. Erst diese Nahaufnahmen machen die kleinen Details wie die sechs sensitiven Barteln oder die der Verteidigung dienenden, ausklappbaren Dornen unter den Augen sichtbar. Die meiste Zeit verbringen die Steinbeißer im Sand vergraben. Allein das oberhalb am Kopf sitzende Augenpaar wacht. Eine ziemliche Herausforderung, diese wunderschönen Vertreter unserer artenreichen Fischfauna in diesem Zustand aufzuspüren.



Steinbeißer zählen zu den geschützten Tieren und finden eine Nennung in der Europäischen FFH-Richtlinie. Sie sind Indikatoren für saubere und gesunde Gewässer und benötigen ausgiebige Sandflächen frei von Verunreinigungen. Insofern wundert es mich nicht mehr, dass ich einige Steinbeißer-Populationen in unmittelbarer Nähe von Badestränden finden konnte, wo der Sand mehrfach umgewälzt wird.

Geschützte Fische im unseren Seen

Die in „Kolonien“ lebenden, kleinen Fische warten mit weiteren Besonderheiten auf, die sie zu wahren Überlebenskünstlern machen. Die Verwertung von Sauerstoff im Darm, sogenannte Darmatmung, ermöglicht dem Steinbeißer das Überdauern von sauerstoffarmen Phasen im Wasser. Die filigranen, mehrreihigen Muster auf der mit sehr kleinen Schuppen besetzten Fischhaut unterscheiden die einzelnen Individuen ähnlich einem menschlichen Fingerabdruck.

Darmatmung und Jungferngeburt

Wie bei den meisten Lebewesen unserer Region steht der Frühling auch bei den Steinbeißern ganz im Zeichen der Reproduktion. Die von den Weibchen abgelegten Eier werden von den Männchen unmittelbar besamt und entlassen die Larven nach nur gut einer Woche. Mangelt es an Männchen, besitzt das Steinbeißer-Weibchen die Fähigkeit einer Jungferngeburt. Das Paarungsverhalten dieser Fischart ist mir allerdings bisher verborgen geblieben.

Wunderbare Unterwasserwelt

Das gewonnene Wissen über das Verhalten und die beanspruchten Lebensräume dieser kleinen Fische lässt mich achtsamer und aufmerksamer durch die Unterwasserwelt gleiten. Für mich zählen die Steinbeißer zu den schönsten und interessantesten Fischen in unseren heimischen Gewässern und ich freue mich auf noch zahlreiche Begegnungen in lebendigen Seen.

Wo seid ihr diesem Fisch begegnet?

Freue mich auf eure Kommentare, Anmerkungen, Tipps, Links und Bilder.

Text erschienen: "Natur Erleben" 04/2016 & "Fischwaid" 01/2017

 

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Categories: FloraFauna

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Kontakt:

Mario Merkel, Tauchrevier Deutschland

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